Nach mehr als drei Jahrzehnten der Beschäftigung mit dem Thema Trauma bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass Menschen die angeborene Fähigkeit besitzen, ein Trauma zu besiegen. Ich bin überzeugt davon, dass ein Trauma heilbar ist und dass der Heilungsprozess ein Katalysator für tiefgreifendes Erwachen sein kann – ein Türöffner für emotionale und echte spirituelle Transformation.

Peter Levine

Somatic Experiencing (SE)® nach Dr. Peter Levine ist schonendes körperorientiertes Verfahren zur Lösung von (post)traumatischem Stress. Es wurde Ende der 60er Jahre vom amerikanischen Biophysiker und Psychologen Dr. Peter Levine entwickelt und laufend weiter erforscht.

SE® wird heute zur Überwindung von Schocktraumata (einzelne überwältigende Ereignisse) und zur Behandlung früher Bindungs- und Entwicklungstraumata eingesetzt. Das Ziel von Somatic Experiencing® ist, die natürliche Selbstregulation im Nervensystem (wieder-) herzustellen und dadurch die als Folge von Schock und Trauma entstandenen Symptome zu wandeln.

Exkurs: Was ist ein Trauma?
SE® betrachtet nicht das Ereignis selbst als Trauma, sondern die forbestehende Stressreaktion des autonomen Nervensystems auf ein vergangenes überwältigendes und unbewältigtes Ereignis.

Traumatisierende Erlebnisse können sein: Verkehrsunfälle, Stürze, Operationen, schwere Krankheiten, Verletzungen, der Verlust eines nahen Menschen. Vernachlässigung in der Kindheit oder pränatale Bedrohung im Mutterleib gehören genauso dazu wie Kriegserlebnisse, Naturkatastrophen oder sexualisierte Gewalt. Auch scheinbar gewöhnliche Ereignisse wie medizinische Behandlungen, ein Hundebiss oder das Miterleben von Gewalt im Fernsehen können traumatisieren.

Zum traumatisierenden Ereignis kann also jede bedrohliche Situation werden, die unsere aktuellen physischen und psychischen Bewältigungsmöglichkeiten überfordert, unsere Grenzen verletzt und uns mit einem Gefühl der Überwältigung und Hilflosigkeit zurücklässt. 

Bei Gefahr stehen uns drei angeborene Überlebensstrategien zur Verfügung: Flucht, Kampf oder Erstarrung. Können wir fliehen oder uns erfolgreich verteidigen, stellt sich im Organismus danach meist das natürliche Gleichgewicht wieder ein. Wenn Kampf oder Flucht keine sinnvolle Alternative darstellt, erstarren wir vor Schreck. 

Eine Bedrohungserfahrung wird als mobilisierte Energie in unserem Körper gespeichert. Wenn wir diese mobilisierte Energie später nicht irgendwie entladen können, z.B. von uns abschütteln, unterdrückte Bewegungsimpulse oder Emotionen wahrnehmen, bleibt diese Energie im Nervensystem gefangen und führt zu einer dauerhaften erhöhten Anspannung und unseres autonomen Nervensystems. Wir sind dann weiterhin im Alarmzustand und entwickeln Angst auch in ganz alltäglichen ungefährlichen Situationen.

Wie wirkt Somatic Experiencing (SE)® bei Trauma?
Somatic Experiencing (SE)® arbeitet vor allem mit der körperlichen Reaktion auf traumatische Ereignisse. Es wendet sich dabei an das für Trauma zuständige autonome Nervensystem. Dieses ist nicht dem bewussten Willen unterworfen. Es kann nur eingeladen werden – durch wertfreie Aufmerksamkeit.

Im Mittelpunkt der Arbeit von SE® mit Traumata steht das Nach- und Aufspüren von Körperempfindungen und -impulsen, Emotionen, inneren Bildern, Gedanken und Überzeugungen. Weitere wesentliche Elemente im Bewältigungsprozess sind die Aktivierung von Ressourcen, Pendeln zwischen Traumaspuren im Körper und Ressourcen, Zentrierung und Erdung, Aufgreifen von Körperimpulsen und Titration, also kleinschrittiges Vorgehen.

Entscheidend ist, dass das Nervensystem eingefrorene Energie in kleinen Dosen „auftauen“ und schrittweise entladen kann. Durch diese kontrollierte Entladung wird eine mögliche Retraumatisierung, also ein erneutes Überwältigt-werden, vermieden. Die tief verankerten Nachwirkungen des Traumas im Körper können sich schonend auflösen. Trauma bedingte Erstarrung wandelt sich in ein Gefühl von Handlungsfähigkeit.

Mit Somatic Experiencing (SE)® wird das Trauma körperlich, geistig und emotional neu verhandelt. Dabei verändert sich nach und nach das Körpergefühl hin zu mehr Sicherheit und Präsenz. Diese natürliche Wachsamkeit im Körper wirkt sich positiv auf Gedanken, Gefühle, Emotionen und Überzeugungen aus.

Ein Trauma ist verarbeitet und integriert, wenn man daran denken und darüber sprechen kann, ohne dass das Nervensystem in Stress gerät. Es wird dann zu einer Erfahrung, die nicht länger das Leben bestimmt.

Buchtipps:
Peter A. Levine, „Sprache ohne Worte“, Kösel Verlag, München 2011
, 7.Auflage
Stephen W. Porges, „Die Polyvagal-Theorie und die Suche nach Sicherheit“, G.P. Probst Verlag GmbH, Lichtenau/Westf. 2017

Weitere Informationen zu Somatic Experiencing (SE)®: www.somatic-experiencing.de